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Remix it!

 

Schülerinnen und Schüler remixen Musikstücke von Modest Mussorgski und Chick Corea

 

Im Rahmen des Projektes „Remixes“ konnten Schülerinnen und Schüler der 6. Klasse des Billrothgymnasiums XIX von Mag. Isolde Malmberg ihre Fähigkeiten als DJs beim Remixen von Musikstücken der klassischen Moderne bzw. des Jazz unter Beweis stellen. Dabei sollten sie ihren Arbeits- bzw. Lernfortschritt in Form von Lerntagebüchern dokumentieren. Der Projektzeitraum erstreckte sich von Mai bis Juni 2004. Das Projekt war in den regulären Musikunterricht eingebunden.

 

 

Projektkurzbeschreibung:

 

Schülerinnen und Schüler sollen Musikstücke der klassischen Moderne bzw. des Jazz in ihren jugendkulturellen Kontext in Form eines Remixes der besagten Stücke mit zeitgemäßen Popelementen setzen. Dabei greifen sie auf die Unterrichtsinhalte des Musikunterrichts der 6. Klasse AHS, im konkreten Fall solche der musikalischen Formenlehre, zurück. Als Ergebnis soll eine selbständige aktive Auseinandersetzung durch die eigene künstlerische Tätigkeit des Remixens einen neuen Zugang zu solcher Musik schaffen helfen und für die Musikrezeption von Musik des 20. Jahrhunderts förderlich sein.

 

 

Zielsetzungen:

 

- Praktische Anwendung zuvor erarbeiteter Unterrichtsinhalte der 6. Klasse AHS (konkret der musikalischen Formenlehre) in Form von handlungsorientiertem und schülerzentriertem Projektunterricht.

 

- Reflektieren des eigenen Arbeitsprozesses bzw. Lernfortschritts in Form des Lerntagebuchs[1]

 

- Anleitung zu selbstständigen Handlungsweisen der SchülerInnen

 

- Aktive selbsttätige künstlerische Auseinandersetzung mit dem Musikstück und in Bezugsetzen zum eigenen jugendkulturellen Kontext

 

 

Projektablauf:

 

Zu Beginn des Projekts wurde die Projektidee anhand eines exemplarischen Beispiels, im konkreten Fall „Prelude No. 2“ aus Alexander Skriabins „Préludes“ op. 74, den Schülerinnen und Schülern nähergebracht, um die Aufgabenstellung im Projekt zu erklären.

 

Anhand dieses Stücks wurden die drei im Stück vorkommenden Motive (Eingangsmotiv in rechter Hand, Ostinato-Motiv in linker Hand und Fortspinnungsmotiv in rechter Hand) durch verschiedenen Farben hervorgehoben. Anschließend wurden diese drei Motive abgewandelt und verändert in einem Remix mit zeitgemäßen Popelementen den SchülerInnen vorgespielt.

 

Danach wurden drei Gruppen mit der Aufgabenstellung, selbstständig ein vorgegebenes Musikstück in ähnlicher Art zu remixen, gebildet. Bei den vorgegebenen Musikstücken handelte es sich um die Klavierversion des „Gnoms“ aus Mussorgksis „Bilder einer Ausstellung“ und um die „Childern Songs“ No. 5 und No. 13 von Chick Chorea in der Klavierfassung.

 

Der Arbeitprozess für die Gruppen wurde relativ klar strukturiert. In der ersten Projektstunde sollte jede Gruppe das ausgewählte Musikstück mehrmals anhören

 

Die SchülerInnen sollten mittels assoziativem Arbeiten die atmosphärische Stimmung des Stücks ausloten.

 

Weiters sollten sie wie am vorgezeigten Beispiel die Hauptmotive bzw. Themen heraushören bzw. identifizieren. Danach soll mit diesen Hauptmotiven im Sinne der Technik der entwickelnden Variation spielerisch umgegangen werden, d.h., das Thema z.B. rhythmisch zu verändern, Abspaltungen vorzunehmen, es von rückwärts zu spielen oder klanglich zu verändern. Ziel dieser Phase war die Entwicklung eines selbsterstellten Formplans für das anschließende Remixen, wobei die musikalischen Formen (Kettenrondo, Sonatenhauptsatzform, Prinzip des Konzertierens etc.) als Impuls für die Struktur dieses Formplans dienten.

 

Beim Remixen der erkannten Motive kamen vorproduzierte Drum Grooves aus verschiedensten Stilrichtungen (Latin, Funk, Pop, Ambient etc.) zum Einsatz. Jede Gruppe konnte sich einen nach ihrem Empfinden zu den Motiven passenden Groove auswählen und diesen nach Bedarf auch durch eigene Zuspielungen modifizieren bzw. ergänzen.

 

Dieser Drum Groove diente als rhythmische Grundstruktur, in welche die einzelnen Motive der Musikstücke und ihre durch die SchülerInnen vorgenommenen Modifizierungen und Erweiterungen einflossen.

 

Zusätzlich zu diesem Drum Groove verwendeten die SchülerInnen auch rhythmisch freie Teile, um etwa durch ein Intro atmosphärisch in das remixte Stück einzuführen.

 

Um ihre selber entwickelten Ideen und Veränderungen des musikalischen Materials umzusetzen, nützten sie verschieden Möglichkeiten zur klanglichen Realisation:

 

Einerseits nahmen die SchülerInnen konventionelle Musikinstrumente selber in die Hand, zum anderen verwendeten sie auch gegrabbte Sounds von CDs, Effektsamples vom Keyboard oder nahmen Klänge selber auf (z.B. klingende Gläser) .

 

Wichtig im gesamten Projekt war der Arbeitsprozess an sich: Kreation und anschließende Reflexion im Form des Lerntagebuchs.[2] So trug jede Schülerin/ jeder Schüler seine Notizen zu gerade absolvierten Arbeitseinheit in das Lerntagebuch ein. Eine gemeinsame Reflexionsrunde im Klassenpodium fand unter anderem auch im Rahmen der Schulbesuche des EAS-Kongresses Wien 2003 statt. Dabei wurde die Präsentation und Reflexion der Zwischenergebnisse der einzelnen Gruppen von denselben auf unterschiedliche Art und Weise wahrgenommen: Eine Gruppe berichtete verbal über ihren Kompositionsprozess, die zweite Gruppe präsentierte schon auf Minidisc aufgenommenes Soundmaterial und die dritte Gruppe stellte ihre Zwischenergebnisse „live“ musizierend vor. Beim Arbeiten entstandene musikalische Zwischenergebnisse wurden auf minidisc festgehalten und waren in der nächsten Arbeitsphase Ausgangspunkt für den weiteren Arbeitsablauf.

 

 

Probleme:

 

Folgende Probleme traten im Projekt auf:

 

- Das spielerische Umgehen mit selber aufgenommenen Klängen und Geräuschen konnte nicht in dem erwünschten Umfang durchgeführt werden, da es den SchülerInnen eher schwer fiel sich vorzustellen, welcher Klang/ welches Geräusch für ihr eigenes Musikstück interessant wirken hätte können, was auf mangelnde Vorerfahrungen auf diesem Gebiet zurückzuführen ist.

 

- Die unterschiedliche ausgeprägte Kompetenz auf technischem aber auch auf musikalischem Gebiet wurde manchmal als unangenehm erlebt. Hier wäre mehr Unterstützung und Ermutigung von Lehrerseite erforderlich gewesen.

 

- Das Zeitkorsett des regulären Unterrichts hat sich für diese Form von projektorientiertem Arbeiten als problematisch erwiesen.[3]

 

- Das Vorhandensein von mehreren Räumen für die einzelnen Gruppen forderte ein besonderes Maß an Selbstdisziplin und Konzentration der SchülerInnen, das in manchen Arbeitsphasen nicht im vollen Umfang gegeben war.

 

 

Zusammenfassung:

 

Neben der äußerst positiven Schülerresonanz war das Projekt ein durchwegs gelungener Versuch, eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis im Musikunterricht auf eine zeitgemäße Art und Weise herzustellen. Der dabei stattgefundene Aneignungsprozess, der die Verbindung zwischen moderner E-Musik mit dem persönlichen jugendkulturellen Kontext angestrebt hat, wurde von allen Seiten als Bereicherung empfunden. Abgesehen von den reichhaltigen Prozessen auf dem Gebiet von sozialem und emotionalem Lernen war es für die SchülerInnen auch eine gute Möglichkeit, selbsttätiges Arbeiten mit mehrmaliger schriftlicher Reflexion zu erlernen und zu vertiefen, wobei sich die gesteckten Ziele am durchaus selbstkritischen Anspruch der SchülerInnen orientierten.

 

[1] Vgl. Malmberg, Isolde: Das Reflexionstagebuch – eine Möglichkeit der Begleitung prozessorientierten Lernens im Musikunterricht – am Beispiel eines Projektes um Musik des 20. Jahrhunderts und Fotographie. In: Musikerziehung 1 (2003/2004), S. 3 – 10

 

 

[2] Ebda.

 

 

 

Lukas Thöni

 

veröffentlicht in: Muskerziehung, 4 2004, S, 44ff

 

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